Salutogenese – Begegnung mit dem Fremden

Französischkurs: Begegnung mit dem Fremden und die Sprache der Gefühle

Die Niedersächsischen Schulkinowochen machten es möglich: Schülerinnen und Schüler der Französischkurse der Jahrgänge 10, 11 und 12 des Artland-Gymnasiums Quakenbrück tauschten ihren Klassenraum gegen den Kinosaal im Schauburg Filmtheater. Mit dem französischsprachigen Film “Die Schüler der Madame Anne” (“Les Héritiers”), der auf einer wahren Begebenheit beruht, wurden sie in eine hochaktuelle Konfliktszenerie katapultiert:
In der Klasse 11 des Léon Blum-Gymnasiums in einem Pariser Problemvorort machen die Schüler – starke Charaktere unterschiedlicher religiöser und soziokultureller Herkunft – aus dem Klassenzimmer einen Hexenkessel. Chaos und Gewalt als Betäubungsmittel gegen Frust und vernagelte Zukunft. Bei dem Lehrerkollegium ist die Klasse abgeschrieben. Nur bei der neuen Klassenlehrerin Anne Guéguen nicht. Unerschrocken aber wertschätzend kann sie Regeln für ein Fairplay im Unterricht vermitteln. Dennoch kommt es nach einigen Tagen, in denen sie abwesend ist, zu einer neuen schweren Krise. In dieser Situation schlägt sie ihren Schülern etwas Außergewöhnliches vor: Teilnahme an einem renommierten landesweiten Schulprojekt zu Widerstand, Kollaboration und Deportation im besetzten Frankreich. Die Teilnahme ist freiwillig und es gibt dafür keine Noten, aber eine öffentliche Ehrung.
Die zutiefst verblüfften jungen Menschen lassen sich zunächst nur zögerlich auf die Konfrontation mit der ihnen kaum bekannten Epoche ein. Zunehmend können sie dann aber ihre Gefühle bei Besuchen von Gedenkstätten mit ihren Bild- und Filmdokumenten erkennbar werden lassen, kommen sich darüber auch untereinander näher, müssen nicht länger verzweifelt “cool” sein. Zutiefst bewegend ist für sie die Begegnung mit einem überlebenden Zeitzeugen. Seine Botschaft: “Unser Zusammenhalt im KZ hat uns geholfen, nicht zu verzweifeln und Hoffnung und Würde nicht aufzugeben”.
In der anschließenden Filmbesprechung gingen die jungen Zuschauer zusammen mit Eckhard Schiffer – der seit einiger Zeit am AGQ Projekte zur psychosozialen Gesundheit im Sinne eines verbesserten Gemeinschaftsgefühls in verschiedenen Klassen im Unterricht von OSTR Maria Sablotny professionell begleitet – der Frage nach, wie es sein kann, dass die gemeinsame Arbeit an und Auseinandersetzung mit einem Projekt ausreicht, das Verhalten der Schüler so positiv zu verändern. Es war dann ebenfalls beeindruckend, wie die Schülerinnen und Schüler, die das Filmgeschehen gebannt und fast atemlos verfolgt hatten, spontan die entscheidenden Gefühlsmomente dieses Wandlungsprozesses benennen konnten: Gemeinsam etwas Bewegendes erfahren; Bericht und Botschaft des Zeitzeugens zur Bedeutung des Zusammenhaltes; konkret in die Arbeit gegen das Vergessen einbezogen sein: Nachsprechen des “Schwurs von Buchenwald”; zusammengebundene Ballons aufsteigen lassen, auf denen je ein Name eines Opfers stand, zu dem die jungen Menschen in der Beschäftigung mit dessen Schicksal eine besondere Beziehung entfaltet hatten. Last not least: die unerschrockene Wertschätzung und Würde, die die Schülerinnen und Schüler in der Begegnung mit ihrer Lehrerin erfuhren.
So umfasste dieser fremdsprachliche Unterricht auch die Sprache der Gefühle und das Verstehen fremder Lebenswelten.
Die Meinung der Beteiligten zu diesen besonderen Unterrichtsstunden: “empfehlenswert!”